Ein neuer Hund zieht ein - Teil 3
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Inzwischen ist Devin seit vier Monate bei uns. Er ist mental angekommen und kann sich tagsüber immer länger und besser entspannen. Er hat viele neue Situationen, Menschen, Tiere und Dinge kennen gelernt und die anfängliche Panik gegenüber meinem Freund ist endlich Geschichte. Mehr noch: Wir sind jetzt ein harmonisch eingespieltes Dreierrudel.
Es war eine teils turbulente Reise bis hier her, aber es hat sich gelohnt. Devin ist sehr aufgeschlossen und meistert bereits viele Herausforderungen. Er fährt entspannt im Fahrstuhl mit, geht angstfrei über Autobahnbrücken und Baustellenplatten, begleitet mich zum Bäcker und seine extreme Geräuschempfindlichkeit nimmt mit jeder neuen Konfrontation ab. Unseren Balkon fand Devin am Anfang recht unheimlich und wagte sich nur sehr zögerlich darauf. Zur Zeit, da die Sommersonne lockt, würde er am Liebsten den halben Tag dösend auf dem Balkon verbringen. Alleine bleiben kann/will er noch nicht. Bin ich innerhalb des Hauses unterwegs, bleibt er inzwischen entspannt in seinem Bettchen liegen, gehe ich aber durch die Haustür, kaut er sofort an unserer Einrichtung herum :-( oder einer meiner Schuhe wandert mit auf seinen Liegeplatz. Da gibt es also noch viel Übungspotenzial und Vertrauensarbeit zu leisten. Allgemein ist sein Stresslevel und damit das Kauen auf ein Minimum gesunken. Autofahren mag er nicht. Er springt zwar ganz lieb rein, aber dann kauert er bewegungslos in der hinterletzten Ecke. Dabei fahren wir aktuell nur an tolle Orte zum Gassi gehen. Hier schwingt (glaube ich) bei Devin die Angst mit, dass es bei der Fahrt für ihn wieder ein neues Ziel ohne Rückreise mit mir nach Hause wird.
In geschlossenen Räumen ist Devin noch sehr skeptisch fremden Menschen gegenüber. Er hält zunächst einen großen Sicherheitsabstand und brummt leise vor sich hin. Egal, ob ich ihn mitnehme oder wir Besuch bekommen, neue Menschen sind (je nach Typ) eine sehr große Herausforderung für ihn. Und so ist es dann auch noch ein paar mal passiert, dass Devin in solchen Situationen etwas Pippi verloren hat. Ganz anders draußen. Unterwegs hat er die letzten Wochen die Erfahrung gemacht, dass scheinbar alle Menschen Leckeren in der Tasche haben und eine Hand lediglich zum Beschnuppern und zur Begrüßen gereicht wird. Und hat er Menschen erst einmal draußen kennen und lieben gelernt, begrüßt er sie ebenso freudig bei uns zuhause.
Ich liebe es, zu sehen, wie fröhlich Devin unterwegs ist. Er kennt die Umgebung jetzt richtig gut und ich erkenne, welche Strecken ihm besonders liegen. Seine Rute trägt er die meiste Zeit sehr stolz oben und freut sich über gemeinsame Spiel- und Laufaktionen. Leider ist Devin vor drei Wochen einem Hasen hinterher gelaufen. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht. Ich beobachtete, wie der Partnerhase rastlos auf und ab lief und auf den Verfolgten wartete. Das hätte ich mir wohl nicht verzeihen können, wenn Devin ein Tier gerissen hätte. Zum Glück tauchte der verfolgte Hase schnell wieder auf und ich konnte eine freudigen Wiedervereinigung miterleben. Leider blieb Devin verschwunden. Nach circa 10-15 Minuten rief mich dann eine (Hunde)Freundin an. Sie hat Devin entdeckt und angelockt. Ich holte ihn ab und seine Freude darüber war riesig. Da aktuell Brut- und Setzzeit ist, bleibt Devin jetzt erst mal wieder an der Leine – außer er spielt gezielt mit einem Hundekumpel oder einer -kumpeline. Devin zeigt für mich keinen ausgeprägten Jagdtrieb. Es ist scheinbar sein Spieltrieb, der ihn dazu motiviert allem hinterher zu laufen. Selbst Insekten und Blättern hüpft er noch aufgeregt entgegen.
Am Liebsten würde Devin noch immer alles vom Boden fressen. Aktuell nicht mehr ausschließlich aus Stress, sondern aus Leidenschaft. Hier muss ich also noch sehr gut aufpassen. Ebenso bei Hundebegegnungen. Auch wenn er bereits gemerkt hat, dass nicht alle Hunde seine überschwängliche Art toll finden, so kann er sich nur schwer zurückhalten, wenn Artgenossen auftauchen. Er ist wirklich sehr lieb und kann gut mit Maßregelungen umgehen. Im Zweifel entscheidet er sich immer für Rückzug oder wird aus Unsicherheit extrem albern und überdreht.
In vielen Bereichen fällt auf, dass Devin die frühe Sozialisierung durch Menschen fehlt. Das äußert sich unter anderem in seiner groben Umgangsart mit uns, in den fehlenden Erfahrungen mit Außenreizen und an der Verständigung. Ein leises Knurren bewirkt bei Devin mehr als ein lautes Nein. Mit gezielten Blicken und Körpersprache steht die Verbindung perfekt, Worte braucht es da nicht. Nun liegt es an uns, hündische und menschliche Kommunikation so zu verbinden, dass Devin auch fremde und vor allem hundeunerfahrene Leuten besser verstehen lernt.
Nächste Woche geht's das erste Mal in Deutschland mit ihm zum Tierarzt. Ich bin sehr gespannt wie er sich dort schlägt. Pfötchen-, Zecken- und Ohrkontrolle lässt Devin bei mir ohne jeglichen Einwand zu. Aber in einer Praxis von einer unbekannten Person geimpft und begutachtet zu werden, ist noch mal eine ganz andere Nummer.
Ich glaube, dass Devin im Laufe der Zeit und mit zunehmendem Alter eine wirklich coole Socke wird. Ich kann den Ansatz schon deutlich sehen :-). Mein Ziel ist es, ihm so viel Leinenfreiheit wie möglich zu geben. Dazu sind noch einige Hürden zu nehmen, aber ich bin guter Dinge, dass das funktionieren wird.
Fotos und Text: © Sandra Ullrich