Trauer um den Hund

Trauer um den Hund

Ihr Lieben! Persönlicher und aktueller könnte dieser Beitrag nicht sein – vor elf Tagen mussten wir ganz plötzlich von Charly Abschied nehmen.

Aus mehreren Gründen sind mir folgende Zeilen zu diesem Zeitpunkt wichtig: Zunächst möchte ich hier meine Erfahrungen teilen und meine Gefühle ausdrücken. Zusätzlich schwebt da dieser Gedanke über mir. Der Gedanke, dass da draußen vielleicht gerade jemand ist, der das Gleiche durchmacht wie ich. Ich bin mir sicher, diese Zeilen werden dich also zur richtigen Zeit finden. Auch wenn das eigene Gefühlschaos dadurch nicht aufhört und der Verlust unwiderruflich bleibt, so ist es manchmal einfach hilfreich zu wissen, das wir in diesem Moment zusammen sind.

Ich dachte, das passiert immer nur anderen
17. Oktober 2024: Alles lief wie immer. Charly war bis nach der Gassi-Mittagsrunde fröhlich und voller Energie unterwegs. Eine viertel Stunde nachdem wir wieder zu Hause angekommen waren, schaute er mich irgendwie verwirrt an, suchte zunächst meine Nähe und verkroch sich im nächsten Moment in eine Ecke. Rastlos lief er von Ecke A nach Ecke B. Dann stand er apathisch vor der Eingangstür. Ich hatte den Eindruck, er versuchte zu erbrechen. Dann gab er mir unmissverständlich zu verstehen, dass er Hilfe brauchte. Mein erster Gedanke: "Oh Gott, er hat draußen Gift aufgenommen". Er baute innerhalb von Minuten weiter ab und man sah ihm seine Schwäche an. Bei meiner Tierärztin war die Telefonleitung ständig belegt, zwei weitere Tierärzte waren ebenfalls nicht erreichbar. Ich schaute nach Charlys Schleimhäuten und tastete ihn danach vorsichtig überall am Körper ab. Er schrie laut auf. Endlich erreichte ich den Tierarzt, dessen Praxis nur ein paar Straßen weiter von uns entfernt liegt. Charly mobilisierte all seine Kraft für nahende Hilfe – das war deutlich zu erkennen.

In der Praxis angekommen, war ich mir immer noch sicher, dass Charly einen Giftköder oder ähnliches gefressen haben musste. Röntgen stand nun auf dem Programm. Dazu wurde Charly sediert. Die Auswertung des Röntgenbildes ergab ... NICHTS! Im Magen- und Darmbereich sah alles soweit gut aus. Ich war erst einmal erleichtert. Doch Charly hatte ja nun mal Schmerzen und dann zeigte der Arzt auf einen Bereich des Bildes, der Fragen aufwarf. Um diese Stelle beurteilen zu können, wurde nun Ultraschall gemacht. Prognose: Wasser oder Blut im Bauchraum – und davon nicht gerade wenig. Zusätzlich erklärte man uns (mein Freund war zwischenzeitlich auch eingetroffen), dass ein großer Teil der Leber betroffen war. Eine Punktierung sollte nun zeigen, womit wir es zu tun hatten. Zu diesem Zeitpunkt war ich immer noch optimistisch. Charly war ja schließlich erst sieben Jahre alt, hatte keine Vorerkrankungen und war bis vor ein paar Stunden topfit. Der Arzt kam wenig später mit einer Kanüle voller Blut um die Ecke und machte ein besorgtes Gesicht. "Was hieß das denn jetzt bitte?" Das hieß, dass eine schnelle Entscheidung von uns getroffen werden musste, denn Charly hatte starke innere Blutungen auf Grund eines geplatzten Lebertumors. Die Zeit lief ihm davon und sein Leben würde enden. Wir hatten nun die Wahl, das Ganze schmerzfrei abzukürzen oder ihn jetzt sofort operieren zu lassen. Die Aussicht, dass Charly die Operation überleben würde, war schlecht. Vom weiteren Lebens- und Behandlungsweg, der danach folgen sollte, ganz zu schweigen. Wir ließen Charly also einschläfern und konnten ihn bis zu seinem letzten Atemzug begleiten. Wie in einem Film und eher aus Zuschauersicht, verfolgte ich diese Szene bis der Schock bei mir einsetzte.

Wieder zu Hause
"Unser Charly war tot. Das konnte ja gar nicht sein! Das musste alles ein riesengroßer Irrtum sein. War das wirklich real? Kein Zurück mehr? Keine weitere Option?" Meine Gedanken überschlugen sich und ich zitterte am ganzen Körper. Mir wurde übel und ich bekam Kopfschmerzen. Weinattacken überkamen mich immer wieder, obwohl ich die Lage noch gar nicht richtig erfassen konnte. In der ersten Nacht dachte ich, es zerreißt mich. Dieser Schmerz war einfach unerträglich. Nicht nur mental, sondern auch körperlich deutlich spürbar. Die nächsten zwei bis drei Tage funktionierte ich irgendwie. Ich telefonierte und weinte gemeinsam mit Familie und Freunden. Mein Freund und ich machten die Hundebettchen, Leinen und Geschirre sauber und wir lagerten alles rund um den Hund außer Sichtweite ein. Mein Körper regenerierte sich langsam und ich fing wieder an, normaler zu essen.

Nach drei Tagen Dauertrauer entschied ich mich am nächsten Montag dazu, meine morgendliche Hunderunde alleine anzutreten. Mein Freund war bereits zur Arbeit aufgebrochen und ich startete wie immer (und doch so anders) in den Tag. Bewusst wollte ich mich den Fragen nach Charly draußen stellen. Und diese kamen schnell. Die Fassungslosigkeit und das Mitgefühl meines Gegenübers, ließ mich jedes Mal wieder erneut in Tränen ausbrechen. Ich bekam kaum ein Wort für nähere Informationen heraus.

Zwischen Zweifel und Akzeptanz
Fakt war also jetzt, dass wir zukünftig ohne Charly sein würden. Das war bei uns angekommen und die üblichen Fragen kamen auf. Hatten wir etwas übersehen? Gab es bei Charly Verhaltensänderungen, die auf Schmerzen hinwiesen? Und die Frage aller Fragen: Haben wir die richtige Entscheidung getroffen, ihn so schnell gehen zu lassen? Die ersten beiden Fragen waren schnell mit Nein beantwortet. Ich war täglich fast rund um die Uhr mit Charly zusammen und kannte ihn und sein Verhalten sehr gut. Die Antwort auf die Frage nach der Entscheidung dauerte etwas länger. Auch die Selbstvorwürfe, die mit dieser Frage einher gehen, begleiteten uns. Aber gibt es dabei wirklich ein Richtig oder Falsch? Es sind doch einfach nur verschiedene Wege. In Charlys Fall haben wir getan, was sich richtig anfühlte. Und so tun wir doch alle unser Bestes, um unseren Fellnasen gerecht zu werden. In anderen Zeiten traf ich andere Entscheidungen mit reichlich lebensverlängernden Maßnahmen, die mich im Nachhinein ebenso zweifeln ließen wie jetzt bei dieser.

Der aktuelle Stand
Seit einer Woche gehe ich nun alleine meine Hunderunde und täglich treffe ich unsere gemeinsamen zwei- und vierbeinigen Freunde. Ich bin erstaunt, wie gut mir die Konfrontation und das Mitgefühl hilft, meinen Verlust anzunehmen und weiterhin zu verarbeiten. 

Ich bin dankbar, dass ich mit Charly so viele tolle Momente bewusst erleben durfte. Er bleibt für immer in meinen Erinnerungen und in meinem Herzen. Und genau darum geht es doch immer, wenn wir uns entscheiden ein Stück gemeinsam durchs Leben zu reisen: Die Spuren, die wir alle hinterlassen. Das kann uns niemand mehr nehmen.

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